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Kein Steuergeld für die NORD/LB? Das Glaubwürdigkeitsproblem der Europäischen Kommission

Kerstin Funk-PernitzschKerstin Funk-Pernitzsch

Kein Unternehmen ist für die Ewigkeit gegründet.
Eigenkapital soll es weitestgehend gegen Risiken im Markt und gegen Fehler im Managament immunisieren. Und wenn das Eigenkapital nicht mehr reicht, muss es vom Markt verschwinden. Für Banken gibt es ein strenges Regelwerk für die Anerkennung von Eigenkapital.
Dazu zählt auch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen auf europäischer Ebene das Verbot, dass sich der Staat an Kapitalerhöhungen bei Banken beteiligt oder Gewährleistungen übernimmt. Das ist schwierig bei Landesbanken, aber möglich. Das europäische Regelwerk für den Wettbewerb ist klar.
Es verfolgt das Ziel, dass der Wettbewerb privatrechtlicher Unternehmen oder in ganzen Wirtschaftszweigen nicht durch staatliche Begünstigungen beeinträchtigt oder verzerrt wird. Eine Beihilfe liegt auch vor, wenn die Belastungen vermindert werden, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat.

Was aber erlaubte im Dezember 2019 die Europäische Kommission im Fall der NORD/LB?
– eine sehr fragwürdige, auf wackeligen Beinen stehende Umwegsfinanzierung des Landes Niedersachsen und die Übernahme von Garantien zugunsten der NORD/LB für diverse Kreditportfolien im Zusammenhang mit der Finanzierung von Schiffen und Flugzeugen.
Insgesamt übernahm das Land Niedersachsen in dem Gesetz zur „nachhaltigen Ausrichtung der NORD/LB“ Garantien im Wert von 6,8 Mrd. Euro.
Das ist bei einem Haushaltsvolumen des Landes für das laufende Jahr in Höhe von 34,7 Mrd. Euro nicht gerade wenig.
Aber Ministerpräsident Weil wähnte sich auf der sicheren Seite als er sagte: „Nach unseren Plänen soll der Steuerzahler in Niedersachsen dafür keinen Obolus entrichten….das ist definitiv unser Ziel.“  
Über eine neue landeseigene Beteiligungsgesellschaft – der Niedersachsen Invest – und die bereits bestehende HanBG, in der eine Reihe namhafter Anteile an Kapitalgesellschaften in Niedersachsen gebündelt sind, wurde im Dezember 2019 eine weitere Kapitalbeteiligung in Höhe von 1,5 Mrd. Euro an der NORD/LB genehmigt, obwohl die ursprüngliche Beteiligung des Landes an der NORD/LB über knapp 2 Mrd Euro im Jahr 2018 bei der HanBG auf Null abgeschrieben wurde. Dadurch entstand bei der HanBG Ende 2018 eine Überschuldung von 703 Mio Euro. Die vollständige Wertberichtung der Beteiligung des Landes an der NORD/LB wurde im Geschäftsbericht  der HanBG mit der Formulierung begründet, dass derzeit nicht zu erwarten ist, „ das zukünftig mit Wertaufholungen oder Dividendenausschüttungen gerechnet werden kann.“ Die HanBG musste nicht zum Insolvenzgericht. Und diese Überschuldung wurde nicht durch das Land ausgeglichen.

Wir erinnern uns an die von Brüssel akzeptierte Begründung:
Die Stillen Reserven bei der HanBG sind deutlich größer als die Überschuldung. Aber Stille Reserven sind kein Ersatz für Eigenkapital!
Wenn stattdessen Teile der Beteiligung der HanBG an der VW AG im Herbst 2019 tatsächlich verkauft worden wären, wäre die Kapitalerhöhung bei der NORD/LB solide finanziert worden, auf jeden Fall ohne Steuergeld.
Aber das wollte die Landesregierung aus politischen Gründen nicht. Der Einfluß bei Volkswagen wäre deutlich geschwächt worden.

Jetzt finden wir eine Situation vor, wo bei der Messe AG keine Messen mehr stattfinden, am Flughafen Hannover-Langenhagen nur noch wenige Flugzeuge abgefertigt werden und die Stahlprodukte der Salzgitter AG weder in der Energiewirtschaft noch in der Automobilindustrie besonders stark nachgefragt werden, ganz zu schweigen von der VW AG selbst, der Umsatz und Erträge weggebrochen sind.
Die Folge wird sein: die HanBG muss weitere erhebliche Korrekturen an ihren Beteiligungen vornehmen. Die Stillen Reserven werden deutlich schrumpfen.
Es ist gut zu wissen, Stille Reserven zu haben. Stimmt die Bewertung, können sie auch strategisch zum Vorteil des Unternehmens eingesetzt werden. Das wurde bei der HanBG zu Lasten des Steuerzahlers aus politischer Opportunität versäumt. Und wegen der Garantien des Landes  für die Kreditportfolien mit Schiffen und Flugzeugen über 4,9 Mrd. Euro wird die NORD/LB in der jetzigen Krise wohl nicht umhin kommen, diese Garantien auch in Anspruch zu nehmen, will sie nicht schon wieder in eine Schieflage geraten.

Damit passiert genau das, was wettbewerbsrechtlich in Europa verboten ist: das Land Niedersachsen – und damit die Steuerzahler – wird die Löcher bei  der HanBG  und im Haushalt ausgleichen (müssen). 
Das Gegenargument der unerwarteten Corona-Krise zieht nicht, weil die Europäische Kommission ihr wettbewerbliches Verbot einer Staatsfinanzierung selbst unterlaufen hat. 
Die im Gesetz zur „nachhaltigen Ausrichtung der NORD/LB“ gegebenen Garantien des Staates sind Gewährleistungen, die nach dem wettbewerbslichen Beihilferecht der EU nicht genehmigungsfähig sind. Sie wurden aber genehmigt. Damit hat die  Europäische Kommission jetzt ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wenn es erneut um die staatliche Rettung von Banken in Deutschland oder anderen europäischen Staaten geht,  ohne das es eine substanzielle Krise gibt, wird mit Sicherheit auf den Fall der NORD/LB im Dezember 2019 verwiesen werden.

Rainer Claussen

13. Mai 2020